A  l  p  e  n  r  a  d  t  o  u  r  e  n  .  d  e

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 12.Tag /13.Tag: Lavendel überall

Datum Km Σ Km Hm Σ Hm Übernachtung
04.08.1998/
05.08.1998
53+
60
899 610 +
950
15.963 Camping Lac du Moulin de Ventre u. 
Camping 3 km vor Sault

 

Dienstag, der 04.08.98. Es regnet nicht mehr. So nass wie es ist, stecken wir das Zelt in den Ortliebsack. Ortliebsäcke sind wasserdicht, sie lassen vorhandenes Wasser aber auch nicht nach Außen. So schleppe ich an dem Tag 1 kg Wasser zusätzlich mit mir herum. Die Strassen sind noch feucht, aber nach der Nacht sind wir schon froh, dass es mal nicht regnet. Wir lassen Moustier Ste Marie rechts liegen und fahren leicht bergauf nach Riez. Der alte, ursprünglich römische Ort liegt auf einem Hochplateau nordwestlich des Lac de St. Croix. Man könnte meinen, dass die Fläche vor Urzeiten mit einem Riesenschaber bearbeitet worden wäre.

In Riez trinken wir einen Cafe noire und kaufen ein paar Baguettes. Das Wetter hält sich einigermaßen. Hinter Riez bis Valensole ist die Landschaft leicht hügelig und ständig wechselt sie zwischen Getreidefeldern, Buschwerk mit Eichen und Lavendelfeldern ab. Der nächste Ort ist Valensole. Hin und wieder braucht man schon etwas Glück. Je weiter wir nach Westen kommen, umso besser wird das Wetter. Verständlich, dass unsere Stimmung erheblich steigt. Bereits in Valensole haben wir wieder strahlenden Sonnenschein.

Im Ort decken wir uns in einem Geschäft mit den Dingen ein , die wir für unser doch so lieb gewonnenes Picknick benötigen. Salat, Tomaten, Champignons, Käse, Baguettes und Getränke. Unsere Fahrräder sind hoch beladen. Als Picknickstelle wählen wir den Kirchenvorplatz aus. Ein Baum, kreisförmig von einer kleinen Mauer umgeben, ist unser Tischersatz. Burkhardt fertigt in seiner Ortlieb-Faltschüssel einen Salat, während ich zwei ältere Frauen beobachte, die in die Kirche gehen. Sie haben sichtlich Spaß daran, uns bei der Essenszubereitung zuzusehen. Ein nettes „Bon Jour Madame“ und „Au revoire Madame“ auf unseren Lippen und gleich haben sie uns in ihr Herz geschlossen. Es ist sehr ruhig im Ort. Ein streunender Hund, eine Katze und ein Junge mit einem Moutainbike, viel mehr Lebewesen sind nicht unterwegs. Unser Essen ist vorzüglich. In der Zubereitung und im Einkauf werden wir immer perfekter.

Unseren Fortbewegungsmitteln , den Fahrrädern verdanken wir es, dass wir uns auf so kleinen idyllisch geführten Straßen in Richtung Nordwesten bewegen. Mit dem Auto würde man solche Straßen wohl kaum fahren. Das Gelände ist leicht hügelig. An vielen Stellen steigen Rauchwolken auf. Der Lavendelschnitt wird verbrannt. Die kleine D15, die wir entlang fahren, führt hinab in das Tal der Asse. Etwas weiter westlich fließt die Asse in die Durance. An einem alten verlassenen Gebäude halten wir kurz an. Burkhardt hat bei der Anfahrt auf dem Nebengebäude etwas entdeckt, was er unbedingt untersuchen will. Ein Tierschädel liegt auf dem Anbaudach. Wir rätseln, um was für ein Tier es sich gehandelt haben könnte. Ein Stückchen weiter sehen wir die Asse tief unten behäbig in Richtung Durance fließen. Schnell sausen wir bergab in das Asse-Tal um 4 km vor Oraison den Fluß zu überqueren.

Zu Hause habe ich mir dieses Stück Frankreich eigentlich weniger interessant vorgestellt. Das Interessante an der Gegend ist nicht nur, dass die Landschaft sich ständig verändert. Die Orte sehen ebenso unterschiedlich aus, wobei jeder seinen besonderen eigenen Charakter besitzt. War es in Valensole der kleine von Häusern umgebene Kirchplatz, so ist es in Oraison das Straßencafe aus den 60 er Jahren, in dem sich die Dorfbevölkerung, insbesondere die Ältere zu treffen scheint. Ein großer Saal mit hohen Kassettendecken, eine lange Theke, die alte Bestuhlung und die ruhige Atmosphäre, wenn man von dem im Hintergrund laufenden Fernseher einmal absieht, prägen sich in mein Gedächtnis ein. Die alten Herren sehen aus, als wenn sie ihren Sitzplatz nie verlassen würden. Wir hocken uns draußen auf die Stühle und trinken eine Orangina. Bis zum Campingplatz in Niozelles ist es nicht mehr weit. Hinter der Durancebrücke sehen wir in la Brillane eine Holztreppe, deren Geländerverstrebungen wie Weinstöcke geformt sind.

Der Campingplatz liegt etwas abseits von der Straße kurz vor Niozelles. Er besitzt einen Swimmingpool, einen kleinen See, auf dem man Boot fahren kann und ein Restaurant mit einer Terasse. Unser Stellplatz liegt auf dem hinteren Platzteil. Unsere Fahrräder sehen seit dem gestrigen Regentag schlimm aus. Nach dem Zeltaufbau beginne ich mein Fahrrad zu putzen. Irgendwie wirkt es ansteckend. Es dauert nicht lange, bis Burkhardt und Martin nach Putzlappen kramen und sich bei mir das Fläschen Öl holen. Es gibt beim Fahrradfahren nichts nervigeres als die Gräusche einer ausgewaschenen Kette. Unser Zeltnachbar beobachtet uns. Anscheinend findet er es ungewöhnlich, dass es Menschen gibt, die hin und wieder ihr Fahrrad putzen.

Das Abendessen müssen wir vorbestellen. Glücklicherweise werden wir an der Reception rechtzeitig darüber informiert. Frühzeitig sichern wir uns einen Tisch und bestellen eine Flasche Wein. Bei einer sollte es heute nicht bleiben. Ich habe einen kleinen Grund zu feiern. Bei einem Telefongespräch mit meinen Eltern erfahre ich, dass ich Onkel geworden bin. Ursprünglich hatte ich vor, den Namen des kleinen Janick groß mit Kreide auf eine der Passstrassen zu schreiben und zusammen mit einem Namen eines Radprofis zu fotografieren. Die grossen Tour de France Pässe liegen aber schon alle hinter uns. Zum Abend hin wird plötzlich eine komplette Musikanlage aufgebaut. Ein Mikrofonständer, mehrer Lautsprecherboxen und ein Keyboard sind von unserem Platz aus zu sehen. Wir sind gespannt auf das Abendprogramm. Der Campingplatz scheint fast vollständig mit Holländern belegt zu sein. Tische und Stühle werden zusammengestellt, um alle Familienmitglieder an eine Tischreihe zu bekommen.

Etwas später erscheint das Musikduo, eine Frau und ein Mann, ca. 55 Jahre alt. Sie unterhalten uns den ganzen Abend mit französischen Chansons und uns bekannten Liedern mit englischem Text. Wir fühlen uns pudelwohl, werden von der Musik angesteckt und klatschen im Rhythmus mit. Die Sängerin ist von unserer Resonanz so begeistert, dass sie sich bei Martin auf den Schoß setzt und alle zum Klatschen animiert. Später findet noch eine Art Gesangswettbewerb statt. Mehrere Kinder und Erwachsene werden aufgefordert, mit Musikbegleitung Lieder zu singen. Ein Abend, der uns immer in Erinnerung bleiben wird. Reichlich neblig im Kopf, wurde es ziemlich spät.

 


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Mittwoch, der 05.08.98.

Wir kommen dem Sitz der Götter, dem Mont Ventoux, immer näher. Zum üblichen Abfahrtszeitpunkt, um09:00 Uhr, haben wir den Campingplatz in Niozelles bei strahlendem Sonnenschein verlassen und fahren in Richtung Forcalquier. Der Ort zeigt sich als uraltes Städtchen, mit einer riesigen Kathedrale und einer in 620m Höhe gelegenen Zitadelle. Zur Zitadelle hinauf gibt es einen Weg aus Kopfsteinpflaster, der allerdings so steil ist, dass wir unsere Fahrräder hinaufschieben müssen. Von dort oben besitzt man einen herrlichen Ausblick auf die umliegende Landschaft.

Weiter in Richtung Banon fahren wir auf einer wenig frequentierten Straße. Die Hitze wird unerträglich. Die morgens gefüllten Wasserflaschen sind fast leer. Unmmittelbar vor einem winzig kleinen Ort sehen wir einen Radfahrer mit Gepäck stehen. Sein Fahrrad hat einen Plattfuß. Wir bieten ihm unsere Hilfe an. Er scheint aber wohl alles Nötige dabei zu haben. Er bedankt sich kurz. Einem von uns kommt die Idee, in dem Ort nach einer Möglichkeit, etwas zu trinken, Ausschau zu halten. Eine kleine Bar mit Terrasse, vermutlich die einzige Möglichkeit in dem Dorf, finden wir. Die Orangina schmeckt bei der Wetterlage besonders gut. In Banon nehmen wir, wie inzwischen fast üblich, unsere Mahlzeit an einem Brunnen ein. Burkhardt verschwindet in einem Straßencafe. Kurz darauf erscheint er wie ein Kellner mit hochgehaltenem Tablett. Drei eiskalte Cola stehen darauf. Wir sind begeistert. Bis Revest du Bion macht uns die Hitze reichlich zu schaffen. Die Straße geht bis auf 950 m Höhe hinauf. Links und rechts von uns überall Lavendel- und Getreidefelder. Zum ersten Mal sehen wir eine Maschine, mit der der Lavendel geschnitten wird.

Von dort aus geht es fast durchgehend mit leichtem Gefälle bis nach Sault. Am Eingang zum Campingplatz befindet sich links das Schwimmbad, das nicht nur Campingplatzgästen zur Verfügung steht. Es scheint unter städtischer Leitung zu stehen. Eine große Tafel mit der Aufschrift „Camping de Sault , Bienvenue“, begrüßt uns. Der Ort liegt halbkreisförmig in 765 m Höhe auf einem Felsvorsprung, der das Vaucluse-Plateau im Westen abschließt und das Tal der Nesque beherrscht. Dank seiner Lage ist Sault ein ausgezeichneter Ausgangspunkt für Ausflüge zum Mont Ventoux, in den Gorges de la Nesque oder in die Montagnes de Lure. Bekannt ist Sault darüber hinaus auch für seinen Türkischen Honig, dem sogenannten Nougat. Nach einem Schwimmbadaufenthalt fahren wir abends in den Ort. Von der Terrasse nördlich des Ortes haben wir einen schönen Blick auf das Plateau von Vaucluse und dem Mont Ventoux. Von hier aus betrachtet, kann man kaum glauben, dass er 1906 m hoch ist. Draußen vor einer Bar lassen wir uns nieder. Etwas weiter entfernt steht ein Pizzawagen. Wir holen uns unser Abendessen von dort. Den Barbesitzer scheint es nicht zu stören, er bietet selber auch kein Essen an. Nachts sehen wir einen sternenklaren Himmel. Schöner kann er nicht sein.


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