A  l  p  e  n  r  a  d  t  o  u  r  e  n  .  d  e

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 18.Tag: An den Gewächshäusern von Hveragerdi vorbei nach Porlakshöfn

Datum Km Σ Km Hm Σ Hm Übernachtung
02.08.2007 79 1471 160 9700 Camping Porlakshöfn

 

Mein Zielort Porlakshöfn liegt im Südosten der Halbinsel Reykjanes, die ich ja nun nach fast drei Wochen meiner Reise von Süden kommend wieder erreichen würde. Porlakshöfn liegt ein wenig abseits und war nur über eine Stichstraße von 8 km Länge zu erreichen. Für die meisten war der Ort nur deshalb interessant, weil es von dort aus die einzige Fährverbindung zu den Westmännerinseln gab. Ich war ja nach wie vor meiner ursprünglichen Tourenplanung einen Tag voraus und überlegte, ob die Überfahrt zu den Westmännerinseln noch zeitlich machbar war. Was mir fehlte, waren die genauen Zeiten der Fährverbindungen. Was soll es dachte ich, ich werde es einfach versuchen und wenn es nicht klappen sollte, dann eben nicht. Porlakshöfn hatte einen Campingplatz, dort konnte ich übernachten.

Noch zu Hause, hatte ich schlimmes gehört, was den Verkehr auf der Straße Nr. 1 zwischen Reykjavik und Vik anbelangte. Ein Teilstück würde ich ja an meinem 18. Radtag unter die Räder nehmen müssen, weil es an der Küste keine durchgehende südliche Verbindung gab. Als ich morgens auf mein Rad stieg um in Hella zunächst noch ein paar Lebensmittel einzukaufen, war es noch ruhig auf den paar Straßen des Ortes. Hella ist ein kleiner Ort, der erst 1927 entstanden ist und bis heute mal gerade 800 Einwohner zählte. Ein wenig Handel, ein wenig Landwirtschaft, ansonsten lebten die Menschen vom durchreisenden Fremdenverkehr. Als ich um so um 10:00 Uhr die ersten Kilometer in Richtung Selfoss auf der Straße Nr. 1 absolvierte, war ich doch sehr überrascht.

Gut es waren ein paar Autos mehr unterwegs, als auf den übrigen Straßen Islands. Im Vergleich mit deutschen Bundesstraßen war hier aber nichts los. Überwiegend konnte ich auf einem Randstreifen radeln und überholende Autos hatten genug Platz um mich nicht in Bedrängnis zu bringen. War die Fahrbahn mal etwas enger, verhielten sie sich rücksichtsvoll und überholten mich in langsamer Fahrt. Viel gab es auf der Strecke bis Selfoss nicht zu sehen. Ganz nett anzusehen war die Hängebrücke über den Fluss Pjorsa. Ich vermutete, dass die Straße Nr.1 früher über diese Brücke führte, sicher war ich mir da aber nicht.

Etwas später stand ich auf einem Rastplatz, auf dem Informationstafeln standen, die mein Interesse weckten. Auf den Tafeln standen Erläuterungen über ein Erdbeben, dass hier im Jahr 2.000 stattgefunden hatte. Es hatte Erdverschiebungen gegeben, die sich ausgehend vom See Kleivarvatn auf der Reykjanes Halbinsel bis zu meinem Standpunkt erstreckten. Kurz Zeit später sah ich das Orteingangsschild von Sellfoss und war sehr überrascht etwas weiter vor einem Fahrradgeschäft zu stehen.

Da es das erste Radgeschäft war, auf das ich auf meinen inzwischen über 1400 Radkilometern auf Island traf, musste ich da einfach hinein. Ich rollte mit meinem „Icelandexpress“ bis vor die Ladentür, klappte den Ständer aus und stellte das Rad ab. Mehrere Jungen, die vor dem Laden an einem Fahrrad schraubten, sahen ungläubig auf. So ein bepacktes Rad und dann auch noch mit Hänger hatten sie wohl noch nie gesehen. Im Geschäft gab es tatsächlich ein Rennrad. Für mich zu klein, aber es gab ein Rennrad und darauf war die Verkäuferin sichtlich stolz. Ich führte mit ihr ein wohl viertelstündiges Gespräch und sah mich gleichzeitig ein wenig im Laden um. Was ich von zu Hause aus gehört hatte stimmte, es gab hier nur 26 Zoll Räder. Für mein 28-er Koga, bei einem Schaden an einem der Laufräder ein neues zu bekommen, wäre hier so gut wie aussichtslos gewesen. Aber bisher war ja alles gut gegangen.

Selfoss ist schon um einiges größer als Hella. Mit 4.300 Einwohnern ist diese Stadt das Handel und Dienstleistungszentrum des Südens. Bei uns wären die gut 4000 Einwohner Bewohner eines Dorfes. Ich kurbelte langsam durch den Ort, bis ich auf den großen Kreisverkehr traf, an dem die Straße Nr. 1 nach Norden schwenkt und über die Brücke der Hvita führt.

Am Ortsausgang befindet sich auf der linken Seite das Busunternehmen des Isländers Gudmundur Tyrfingsson. Die grünen Busse hatte ich auf Island bereits mehrmals wahrgenommen, sie waren schon wegen ihrer knallgrünen Farbe auch kaum zu übersehen. Fast an der Straße standen zwei Exemplare, deren Herstellungsdatum wohl mehrere Jahrzehnte auseinander liegen dürfte. Ein paar hundert Meter weiter verabschiedeten sich die Einwohner mit einem „Goda Ferd“ von mir, ich dankte ihnen und freute mich schon auf die Gewächshaussiedlung Hveragerdi.

Die 10 km bis Hverargerdi waren natürlich schnell geradelt. Unterwegs fotografierte ich noch eine kleine Kirche, die etwas zurückliegend links am Straßenrand stand. Nicht weil sie so außergewöhnlich  schön gestaltet war, eher deshalb, weil mich der Name der Kirche doch etwas nachdenklich stimmte. Wie konnte man diese kleine Kirche nur „Kotstrandarkirkja“ nennen?

Hveragerdi (1600 Einw.) ist wegen seiner umfangreichen Nutzung geothermaler Energie, sowie wegen seiner in reichlicher Zahl vorhandenen Gewächshäuser weit bekannt. Im Ort befindet sich auch die staatliche Gartenbauschule. Fast nicht zu glauben, aber in den mit geothermaler Energie beheizten Gewächshäusern wachsen Bananen, Gurken, Orangen, Tomaten und reichlich Blumen. Kein Wunder, dass es hier mehrere Blumengeschäfte gibt. Am Ortseingang gab es noch einen riesigen Supermarkt, vor dem ich noch ein paar deutsche Radler traf. Ihre Tour hatte erst zwei Tage zuvor begonnen. Wir unterhielten uns einige Zeit über ihre und meine Routenführung bevor ich mich aufmachte, ein wenig den Ort zu erkunden. 

Mein weiterer Weg führte nicht hinauf in die Hellisheidi, denn dass war der direkte Weg nach Reykjavik. Ich lenkte meinen „Icelandexpress“ auf die Straße 38, die mich in südwestlicher Richtung nach Porlakshöfn bringen würde und machte unterwegs noch ein paar Fotos.

Am frühen Nachmittag nach 74 km, erreichte ich die Fährstation von Porlakshöfn. Ich befand mich alleine dort, keine Menschenseele weit und breit. Die Fähre fuhr erst abends um 19:00 Uhr in Richtung Westmännerinseln und würde ca. 3 Std. Fahrzeit benötigen. Am Tag darauf hätte ich nachmittags mit der Fähre wieder zurückkehren können. Theoretisch wäre der Ausflug tatsächlich möglich gewesen, mir war er aber zu stressig nur um ein paar Stunden auf den Westmännerinseln zu verbringen. Ich war auf meiner Radtour bisher viele Kilometer geradelt, sie war keineswegs leicht gewesen, aber einem zeitlichen Druck hatte ich mich nie aussetzen lassen. Diese Regel wollte ich auch hier nicht brechen.

Ich verließ den Hafen, radelte durch den Ort und hielt Ausschau nach dem Campingplatz und einer Einkaufsmöglichkeit. Ein Junge der mit seinem Mountainbike unterwegs war, half mir. Er freute sich sogar sichtlich darauf mir helfen zu können. Er fuhr vorweg und drehte sich ständig um, um zu schauen, ob ich noch folgen würde. Wie hilfsbereit hier die Kinder waren! Der Platz war nicht mit dem üblichen Campingplatzschild ausgeschildert, deshalb hatte ich vorher so meine Schwierigkeiten gehabt ihn zu finden. Nun stand ich auf einem wunderschönen Rasenplatz, bedankte mich bei dem Jungen und baute mein Zelt auf. Wo gab es so etwas noch? Ich war auf dem Campingplatz alleine. Eine Reception existierte nicht und ich überlegte noch, wo ich denn wohl den Stellplatz bezahlen müsste, als ein älterer Herr erschien. Er reinigte die Toiletten und gab mir auf meine Nachfrage hin zu verstehen, dass der Platz der Gemeinde gehören würde. Bezahlen musste ich nichts, es war ein Service der Gemeinde. Am Nachmittag fuhr ich noch etwas durch den Ort und am Meer entlang, kaufte für den Abend ein und fotografierte noch den folgenden alten Straßenkreuzer.

Abends wurde es dann spannend! Als ich zurückkehrte standen zwei neue Zelte auf dem Platz. Etwa hundert Meter links von mir stand dass Zelt einer Familie mit ungefähr 10 Jahre altem Sohn und weiter geradeaus das Zelt eines älteren Radlers, der hin und wieder mal in meine Richtung schaute. Alle Zelte standen soweit auseinander, dass selbst rufen nicht ausgereicht hätte, den anderen zu verstehen. Die Initiative zur Kontaktaufnahme übernahm der 10 jährige Junge. Er lief zwischen den Zelten hin und her und berichtete offen, was er wieder an neuem erfahren hatte. So wussten wir inzwischen, dass wir alle Deutsche waren. Irgendwann wurde die Spannung so groß, dass wir es nicht mehr aushielten. Ich lief dem älteren Radler und er mir auf dem Rasen entgegen. So lernte ich Guntram Stolz aus Berlin kennen. Kurz zuvor hatte ich meine Kartoffeln aufgesetzt, wir setzten uns zusammen auf die Bank und quatschten ein wenig darüber, wo wir herkamen und welche Erlebnisse uns beeindruckt hatten. Ich lud Guntram zum Kartoffeln essen ein, er holte etwas Speck und Butter aus seinem Zelt dazu und das war dann die Einleitung zu einem unheimlich netten Abend. Wir unterhielten uns solange mit einander, bis wir die aufziehende abendliche Kälte nicht mehr ertragen konnten. Guntram war schon in Kanada und Amerika mit dem Rad unterwegs gewesen, hatte aber auf Island sein Radreiseland gefunden. Ich war beeindruckt von seinen Erzählungen und freute mich, einen so netten Menschen kennen gelernt zu haben.

 


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