A  l  p  e  n  r  a  d  t  o  u  r  e  n  .  d  e

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 08.Tag: Ein Tag der Furten oder auf nach Nyidalur

Datum Km Σ Km Hm Σ Hm Übernachtung
17.08.2008 30 277 250 1850 Hütte Nyidalur

 

Die Sonne schien in voller Pracht, als ich den Kopf nach einem erholsamen langem Schlaf durch die Zeltöffnung steckte. Ich fühlte mich wieder einigermaßen fit. Die Füße schmerzten beim Anziehen der Radschuhe zwar noch, aber das würde auch vergehen. Ein viertelstündiges Gespräch ergab sich noch mit meinen Übernachtungsnachbarn, danach wurde die Ausrüstung verpackt. Wie man früher ohne vorhandene Brücke über den Skjalfandarfljot gekommen war, war mir ein Rätsel. In weiterem Umkreis der Straße sah ich keine geeignete Flachstelle und der Fluss war ziemlich reißend. Ich hatte die Brücke kaum überquert, da führte der Weg auch schon steil bergauf. Auf dem nächsten Foto stehe ich bereits auf der Bergkuppe, die schweißtreibend erarbeitet werden musste. Tief unten war von dort bereits der Fluss zu sehen, den ich als erstes Hindernis  durchqueren musste.

In Erinnerung an meinen Sturz im Vorjahr rollte ich den steilen Hang sehr langsam hinunter. Auf den losen Steinen konnte mein Vorderrad sehr schnell wegrutschen. Die Strömung war an der ersten Furt nicht sehr stark. Das Rad ließ sich gemeinsam mit dem Hänger durch den Fluss drücken. Der Wind hatte am Morgen leider wieder mächtig zugenommen. Er blies schon seit mehreren Tagen immer aus derselben Richtung und kam immer von vorn. Verbunden mit dem hügeligen Terrain kam ich nur langsam vorwärts. Um 12:30 Uhr hatte ich erst die Hälfte der gesamten 30 Tageskilometer und zwei Furten hinter mich gebracht.

Die dritte Furt, vor der ich um ca. 13:00 Uhr stand, war ungefähr 40 cm tief und besaß eine recht starke Strömung. Ich lief den Fluss entlang um eine geeignete Stelle zum queren zu finden. Die Stärke der Strömung testete ich an verschiedenen Stellen, in dem ich ein paar Schritte ins Wasser lief.  Keine leichte Wahl, aber irgendwann fiel einfach eine Entscheidung. Beim Furten zerrte und drückte das Wasser mächtig an den Radtaschen, so dass ich gut aufpassen musste, nicht die Balance zu verlieren. Das Rad verlor bei der Aktion kurz die Bodenhaftung, weil die Taschen aufschwammen. Mit meinem ganzen Körpergewicht hielt ich das Rad in Balance und drückte es durch die Fluten. Nach einer guten Minute war der Kampf gegen die Strömung geschafft.

Ich war kaum auf der anderen Seite, als ich zurückblickend sah, dass auf den hinter mir liegenden Hügeln der rote Unimog und der weiße Hanomag erschienen. Zeit genug, um mit meinen Nachbarn der letzten Nacht ein paar Worte zu wechseln, hatte ich ja. So schaute ich ihnen beim Furten zu und machte noch ein paar Fotos. Die weiteren 9 km bis zum Erreichen der Sprengisandur (F26) führten auf weiterhin welligem Terrain am Tungnafellsjökull entlang. Er lag in Blickrichtung links von mir und war mit einer Höhe von 1520 m schon recht eindrucksvoll. Auf der Strecke kam mir noch ein französisches Pärchen mit einem Allradfahrzeug entgegen. Sie wollten unbedingt alles über meine Tour erfahren. Der krönende Abschluss der Unterhaltung bestand darin, dass sie mir eine kleine kalte Dose Bier schenkten. Eine nette Geste, über die ich mich sehr freute. Das auf Island eher seltene Exemplar verschwand in einer der Radtaschen. Später würde das Bierchen sicherlich mein Abendessen bereichern.

Um kurz vor 15:00 Uhr war der einsamste Teil der Strecke zwischen Askja und Nyidalur geschafft. Ich stand am Straßenabzweig zur Sprengisandur (F26), schaute auf die vorletzte Furt des Tages und fühlte mich etwas geschafft. Das Hochland hatte in den letzten Tagen mächtig an meinen Kräften gezehrt. Der ständige Gegenwind und das Sandurgebiet hatten mich dermaßen ausgelaugt, dass ich mich schon wunderte, überhaupt bis hierher gekommen zu sein. Die vorletzte Furt war zwar breit und tief, besaß aber eine mäßige Strömung. Auf einen Kraftakt wollte ich mich nicht mehr einlassen, deshalb trennte ich den Hänger vom Rad und lief zweimal durch den Fluss. Je näher ich Nyidalur kam, je mehr nahm die Vegetation zu. In den Hütten von Nyidalur gibt es 160 Schlafplätze. Reisegruppen, die das große Hochlandabenteuer gebucht haben, übernachten dort, um tags darauf ihrer jeweiligen Route zu folgen. Von Nyidalur aus kann man interessante Tageswanderungen unternehmen, die durch das Jökuldalur oder durch das Gletschertal bis an den Rand des Tungnafellsjökull führen.

Ich selber stand mit meinem Gespann auf der Kuppe des letzten Hügels, blickte hinab auf die Hütten von Nyidalur und freute mich, meinen Zielort fast erreicht zu haben. Die letzte Furt ließ sich zügig in einem Gang queren. Danach ein paar Meter hinauf und schon war ich am Ziel. Der Platzwart (Warden) stand bei meiner Ankunft auf einer Leiter und strich mit einem Pinsel die Giebelwand des Hauses. Bei der Wetterlage sicher die ideale Beschäftigung.

Meine Ankunft wurde kaum wahrgenommen. In der Hütte, wo sich auch ein kleiner Raum für den Platzwart befindet, war es ruhig. Mein nächster Blick fiel  in einen großen Schlafsaal. Tische und Stühle standen in der Mitte und ein paar  Gäste unterhielten sich oder beschäftigten sich anderweits. In der Küche brutzelte sich noch jemand etwas, ansonsten war es ruhig.

Etwas später erschien der Warden im Gebäude und wies mir einen Schlafplatz im oberen Stock zu. Mir war es recht, oben herrschte absolute Ruhe. Ich konnte meine Sachen sortieren und mich so richtig breit machen. Die Duschen befanden sich in einem gesonderten Gebäude, was aber nicht sonderlich störte.

Im Gebäude lernte ich noch zwei nette junge Wanderer kennen. Christoph Zischek und Dominic Rauschning waren mit Rucksäcken auf Island unterwegs und wollten am darauffolgenden Tag auf der Sprengisandur nach Norden wandern. Geplant war eine 6-tägige Wanderung bis zum Godafoss. Davor waren sie bereits von der Küste nach Landmannarlaugar gewandert. Mit den beiden verbrachte ich den größten Teil des Abends um über Island und „Gott und die Welt“ zu plaudern. Danke für den netten Abend.

Anmerkung: Aus der Jugendherberge in Akureyri erhielt ich wenige Tage nach meiner Heimkehr eine Mail. Die Beiden hatten ihre Strecke geschafft und waren wohlbehalten in Akureyri angekommen.

 


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