A  l  p  e  n  r  a  d  t  o  u  r  e  n  .  d  e

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 07.Tag: Fast nicht zu glauben, ein 30 km Fußmarsch durch das Sandurgebiet südlich der Askja

Datum Km Σ Km Hm Σ Hm Übernachtung
16.08.2008 22 247 50 1600 Skalfandarflot (wild)

 

Ich hatte Glück, die eisbedeckten Berge im Süden waren wieder zu sehen. Demnach hatte sich der Sturm im Sandurgebiet ausgetobt. In Gedanken versunken saß ich beim Frühstück und versuchte mir vorzustellen, wie wohl die nächsten drei Tages bis zur Hütte in Nyidalur verlaufen würden. Die Strecke, die mir nun bevorstand, zählte zu eine der härtesten Islandpisten die es gab. 125 km führte sie durch Niemandsland. Keine Einkaufsmöglichkeit und kaum eine Möglichkeit die Wasserreserven zu füllen waren die Randbedingungen, denen ich mich stellen musste. Mit Proviant hatte ich mich reichlich eingedeckt, 8 Liter Wasser befanden sich auf dem Hänger und Rad. Ich wollte es wagen das Sandurgebiet zu durchqueren und über die Gaesavatnaleid Nyrdi nach Nyidalur zu gelangen.

Auf dem folgenden Foto sieht man, dass die Strecke schon zu Beginn nicht besonders gut zu befahren war. Lose Steine erforderten immer höchste Aufmerksamkeit. Einen Sturz wollte ich auf keinen Fall riskieren. Bereits um 08:00 Uhr hatte ich den Campingplatz verlassen, wohlwissend, dass mir vermutlich ein langer Tag bevorstand. Ein ca. 3 km langes Stück bis zum Dyngjuvatn ließ sich bergab auf der Bimsteinpiste noch relativ gut befahren. Danach war der Spaß vorbei. Was dann folgte war die reinste „Katastrophe“! Der Sandsturm hatte die Piste derartig stark zugeblasen, dass die Fahrstrecke teilweise fast nicht mehr erkennbar war. Einzelne Holzpflöcke markierten den Weg und zeigten mir, dass ich auf dem richtigen Weg war.

Ich versuchte mein Glück und schob mein Gespann mehrere hundert Meter durch den Sand. Es war einfach zu kräftezehrend. Was nun? Abbruch? Rückkehr zu Askja? Nein aufgeben wollte ich noch nicht. Ich verließ die Piste und schob mein Rad zum Dyngjuvatn. Mir war aufgefallen, dass der Sand dort bedingt durch die Nähe zum See feuchter und fester schien.  Radeln konnte ich dort auch nicht, es lies sich aber leichter schieben. Am Ende des Sees war ich ca, 2-3 km weitergekommen.

Warum ich mich an der Stelle dazu entschied nicht zur Askja zurückzukehren, ich weis es nicht mehr. Fakt blieb, dass ich mit Hilfe meines GPS-Gerätes wieder die Piste ins Visier nahm und nach den Holzpflöcken Ausschau hielt. Um überhaupt weiterzukommen löste ich den Hänger vom Rad und zog ihn durch den losen Lavasand hundert Meter weiter. Danach kehrte ich zum Rad zurück und schob das Rad in der leicht angedrückten Lavaspur zum Hänger. Eigentlich vollkommen verrückt, aber es klappte, ich kam voran, wenn auch sehr langsam.  Nachdem ich in dieser Art und Weise gut eine Stunde unterwegs war, rechnete ich mir zeitlich aus, dass ich das Ende des Sandurgebietes ungefähr zwischen 17:00 Uhr und 18:00 Uhr erreichen müsste. Der Wille war vorhanden! Ich wollte diese Wüste unbedingt durchqueren.  

Mehrere Stunden war ich so bereits unterwegs, als ich in der Ferne etwas wahrnahm, das sich augenscheinlich auf mich zu bewegte. Eine viertel Stunde später stand die „Fatamorgana“ vor mir. Sie hieß Alessandro und war mit Rucksack und 25 kg Gepäck zu Fuß unterwegs. Er wollte an dem Tag noch bis zur Askja laufen.

Danach ging es weiter! 100 Meter den Hänger ziehen, in lockeren Schritt zurück und wieder das Rad gestemmt. Der Rhythmus war mir bereits „in Fleisch und Blut“ übergegangen, meine Füße waren an den Fersen bereits blutig, als mir 2 km vor dem Ende des Sandurgebietes wohl ein „Engel“ zur Hilfe kam. Der „Engel“ kam in Form von drei Allradfahrzeugen, deren Insassen anhielten um sich nach meinem Wohlbefinden zu erkunden. Ich war gerade damit beschäftigt meine Wasserflaschen am Rad zufüllen und meine Schuhe vom Lavasand zu befreien, als sie vom Wind übertönt fast geräuschlos neben mir hielten. Der Wind hatte am späten Nachmittag wieder zugenommen und ich strahlte über beide Backen, als sie mir ihr Hilfsangebot unterbreiteten mich einige Kilometer mitzunehmen.

Die spanische Adventure-Truppe war mit eigenen Toyota Landcruisern unterwegs. Ein Platz war im Wagen von Enrique noch frei und mein Rad sowie Gepäck wurden auf die Fahrzeuge verteilt. 30 km kräftezehrende Laufstrecke im Lavasand hatte ich an dem Tag bereits absolviert. Die Uhr zeigt bereits 18:00 Uhr als ich mich überglücklich auf dem Beifahrersitz neben Enrique niederließ und meine lädierten Beine streckte. Danke Paula!, Danke Jorge!, Danke Enrique!, Danke Ana!, Danke Luis! Gibt es tollere menschliche Begegnungen? Ich konnte es immer noch nicht fassen, als wir ein bis zwei Kilometer weiter auf die Gaesavatnaleid Sydri einbogen und mir Enrique eine kalte Pepsi Cola in die Hand drückte.

Meine Wegstrecke führte eigentlich über die Gaesavatnaleid Nyrdi also der Nordroute. Da beide Strecken aber wieder zusammentrafen, war mir das nach dem anstrengenden Tag egal. Mit Paula und Jorge hatte ich mich abgestimmt. Sie würden mich an der Stelle wo die Nord und Südroute zusammentrafen am späten Abend absetzen. Mein Tag war noch nicht beendet. Was dann folgte war ein Erlebnis der besonderen Art. Noch nie war ich in meinem Leben mit einem Geländewagen gefahren bzw. mitgefahren.  In zügigem Tempo fuhren die drei in südwestlicher durch das Schwemmlandgebiet. Nachstehend mal einige Fotos von der abendlichen Tour.

Immer wieder die Tiefe des Flusses kurz abschätzend bewegten sie sich für meine Begriffe sehr professionell durch das Schwemmlandgebiet. Und dennoch blieb Luis mit seinem Fahrzeug trotz hinzugeschaltetem Allradgetriebe an einer tieferen Stelle stecken. Mit einem langen Seil und einer Seilwinde befreite ihn Jorge aus seiner misslichen Lage. Weil er für diesen Zweck auf festem Untergrund stehen bleiben musste, war die Entfernung schon recht groß. Mehrere Seile mussten deshalb miteinander verbunden werden.

Die weitere Strecke führte durch das hügelige Terrain  des Urdarhals bis an den Rand eines Vulkankraters und zur Hütte „Kistufell“. Die Hütte war mit Holzkeilen verriegelt, die aber zwecks Übernachtung problemlos hätten entfernt werden können. Wenn ich mir das nachfolgende Foto ansehe und rückblickend an die mit dem Allrad gefahrene Strecke denke, dann kann ich persönlich nur zu der Einschätzung kommen, dass es extrem schwierig ist, die Gaesavatnaleid Sydri mit dem Rad zu bezwingen. Mit Hänger auf keinen Fall, ich denke selbst mit einem MTB und Minimalgepäck dürfte die Tagesanforderung extrem hoch sein. Respekt vor denjenigen, die diese Piste bereits unter die Räder genommen haben.

Um 20:00 Uhr, ziemlich genau 12 Stunden nach meinem morgendlichen Start an der Askja, erreichten wir den Straßenabzweig, der die Nord- und Südroute der Gaesavatnaleid wieder zusammenführt. Er befindet sich kurz vor der Brücke über den Fluss Skjalfandarfljot. Nur wenige Stunden hatten wir miteinander verbracht und dennoch ist mir eine herzliche Verabschiedung in Erinnerung geblieben, an die ich mich immer wieder gerne erinnere. Zum Schluss fotografierten wir uns noch gegenseitig und tauschten unsere Emailadressen aus.

Tja und dann stand ich plötzlich wieder alleine in der Steinwüste. Ich sucht mir einen etwas geschützten Stellplatz in der Nähe des Flusses, baute das Zelt auf und kochte mir erst einmal eine warme Suppe. Danach mussten die Füße versorgt werden. Mehrere offene blutige Blasen hatten die Socken bereits mit Blut verschmiert und mussten entsprechend behandelt werden. Danach fühlte ich mich etwas besser.  Daran ein Foto zu machen, dachte ich an dem Abend gar nicht mehr. Das nachfolgende Foto vom Stellplatz habe ich erst am folgenden Morgen gemacht.

Am Abend erschienen noch zwei alte Allradfahrzeuge, die mir bereits an der Askja aufgefallen waren. Optisch waren sie auch kaum zu übersehen. Es handelte sich um zwei deutsche Pärchen aus Rosenheim und Umgebung, die auf der Suche nach einem Übernachtungsplatz waren. Nachfolgend ein Foto von dem alten roten Unimog und dem weißen Hanomag. Um 09:30 Uhr kroch ich nach einem kurzen Gespräch mit meinen Nachbarn in den Schlafsack und fiel in einen 12-stündigen Schlaf.

 

Fahrt mit dem Rad: 


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Fahrt mit dem Allrad:


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